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Sinn von E-Petitionen
» Online-Petitionen für mehr Demokratie im Netz?
#1
Im Zaiendo Forum wird recht häufig auf E-Petitionen verwiesen. Das ist gut gemeint, dennoch sollte einem folgender Sachverhalt bewusst sein.

Während für manche deutsche Politiker das Internet noch Neuland ist, nutzen es viele andere schon für ihre politischen Kampagnen. Darunter sind nicht nur die traditionellen Parteien, sondern in letzter Zeit auch viele kleinere und größere Organisationen, Vereine und auch Privatpersonen. Das Netz verleiht ihnen eine Stimme, die Möglichkeit, sich anderen mitzuteilen, und das nicht primär durch finanzielle Mittel. Dadurch können sich Menschen gleicher Meinung leichter finden und agieren, es können gemeinsame Aktionen geplant und durchgeführt werden. Neben den sozialen Medien, die zum Beispiel im arabischen Frühling eine große Rolle gespielt haben oder auch von Organisationen wie Greenpeace stark für eigene Kampagnen genutzt werden, sind das vor allem Petitions- und Aktionsplattformen wie change.org, Campact, openPetition.de und Avaaz.org.

Auch vom Staat gibt es online Petitionsmöglichkeiten, die ePetitionen des deutschen Bundestags beispielsweise.
E-Petitionen haben seit der ersten E-Petition 1998 von Joan Blades und Wes Boyd  großen Zulauf erfahren, zahlreiche neue Anbieter drängen in den Markt.
Die Versprechen dieser Anbieter sind hoch: „Die Welt in Aktion“ lautet der Slogan von Avaaz.org – „Demokratie in Aktion“ verspricht Campact.
Aber wer ist bei solchen Plattformen für die Inhalte verantwortlich? Wer steuert die Aktionen, wer macht mit und kann man im Internet überhaupt von Demokratie sprechen? Welche rechtsstaatlichen Ansprüche bestehen für solche Internetpetitionen?

Das Internet ist ein Verbund von Computern zur Auslieferung von Inhalten. Es ist ein Medium und kein Staat an sich. Entsprechend kann das Internet selbst keine Demokratie sein. Wenn also Demokratie im Internet untersucht wird, muss untersucht werden, ob das Internet entweder demokratische Funktionen eines Staates übernimmt oder Funktionen und Aktionen eines demokratischen Staates mit dem Medium Internet durchgeführt werden, oder ob es im Internet selbst demokratisch zugeht.

Nachdem fast jede Internetplattform für sich selbst steht, einen eigenen Betreiber hat, und für die eigene Plattform eigene Regeln festlegt, muss die Frage, ob es im Internet demokratisch zugeht, pro Plattform beantwortet werden. Es sind dahingehend keine allgemeinen Aussagen möglich.
Deutlich wichtiger ist die Frage, welche Merkmale von Demokratie in das Internet übertragen werden und welche Auswirkungen sie auf reale Staaten haben.
Die Aspekte der Volkssouveränität finden sich in der Regel nicht im Internet, über die staatliche Einheit kann im Internet nicht von Menschen entschieden werden, auch wenn jüngste Ereignisse wie die Krim-Krise teils ein anderes Bild vermitteln möchten.
Was sich dagegen mehr und mehr im Internet findet, sind Wege der bürgerschaftlichen Partizipation. In Deutschland wurden bereits Anläufe unternommen, Wahlrecht im Internet beziehungsweise über elektronische Wahlautomaten zu realisieren.
Den letzten Vorstoß stoppte aber 2009 das Bundesverfassungsgericht, in der Begründung vom 03. März 2009 heißt es dazu: „Die Öffentlichkeit der Wahl gebietet beim Einsatz rechnergesteuerter Wahlgeräte, dass die wesentlichen Schritte von Wahlhandlung und Ergebnisermittlung zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können. Derartige Regelungen enthält die Bundeswahlgeräteverordnung nicht.“ Demokratische Abläufe müssen also von Außenstehenden nachvollzogen und bei Bedarf überprüft werden können – ein großes Problem bei privaten Petitionsanbietern, wie noch gezeigt wird.
Die Demokratiefunktion Wahlen kann in Deutschland also nicht mit dem Internet durchgeführt werden, hier ist neben der Briefwahl nur noch die persönliche Stimmabgabe möglich.
Für Versammlungen ist räumliche Präsenz notwendig, diese kann über das Internet zwar organisiert werden, aber nicht im Internet durchgeführt werden. Ebenso verhält es sich mit Demonstrationen im klassischen Sinne. Auch diese Demokratiefunktionen kann das Internet also nicht leisten.
Die Meinungs- und Informationsfreiheit wird im Kontext des Internets besonders heiß diskutiert. Theoretisch müsste sie in demokratischen Staaten gewährleistet sein, Fälle wie die Blockade von Internetdiensten wie Twitter und Youtube im März 2014 in der Türkei zeigen aber, dass dem nicht immer so ist.
An dem Beispiel zeigt sich aber bereits, dass der Schutz von Meinungs- und Informationsfreiheit eine Aufgabe der Staaten ist und nicht von einzelnen Plattformen im Internet gewährleistet werden kann. Auf den Internetplattformen findet die Meinungsfreiheit ihre Grenzen in den Nutzungsbedingungen der einzelnen Seiten.
Übrig bleibt noch das Petitionsrecht. Das Petitionsrecht, im Grundgesetz Artikel 17 verankert, garantiert jedem Bürger das Recht, „sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden“ .
Petitionen sind das wohl am weitesten verbreitete Demokratieinstrument im Internet.
Auf Plattformen werden Petitionen gestartet, Unterstützer gesucht und Gemeinschaften geschlossen, um letzten Endes Unterschriften für oder gegen eine bestimmte Sache zu sammeln und die unterzeichnete Petition an den Empfänger zu überreichen.

Oberer Teil entstammt einer Seminararbeit von mir, ich hänge sie als PDF hier auch an.
Dort habe ich unter anderem alle in Deutschland bekannteren Petitionsanbieter verglichen - es ist ganz interessant, sich anzusehen wer hinter den Plattformen steckt und wer dort regiert.
Das Fazit, das ich in der Arbeit ziehe:



Von den Merkmalen der Demokratie hat es bis jetzt hauptsächlich das Petitionsrecht ins Internet geschafft, Wahlen, Koalitionen und die Volkssouveränität lassen sich bis jetzt in Deutschland nicht über elektronische Plattformen realisieren.  Die Möglichkeit, Petitionen zu unterzeichnen, bieten alle Anbieter. Doch mit der Petition den offiziellen Petitionsausschuss des Bundestags zu erreichen, wie im Grundgesetz vorgesehen, können Interessenten nur bei öffentlichen Petitionen an den Bundestag – schriftlich oder über die ePetitionen Plattform des Bundestags. Petitionen auf den anderen Plattformen sind daher keine Petition im Sinne des Grundgesetzes, sondern eher ein Meinungsbild, eine Liste von Menschen, die eine bestimmte Forderung haben, die sich meist nicht an den Petitionsausschuss des Bundestags sondern an Repräsentanten des Staates oder andere Personen oder Unternehmen richtet. Solche Unterschriftensammlungen haben häufig eine große mediale Wirkung und können den Empfänger durch den öffentlichen Druck beeinflussen, sie haben aber keine rechtlichen Ansprüche auf Erfolg, unabhängig von der Anzahl der Unterzeichner. So klar beschreibt das keiner der privaten Anbieter von Internetpetitionen – es wird bewusst der Eindruck erweckt, hier demokratische Funktionen abzubilden, wie beispielsweise der Slogan von Campact zeigt. Besonders kritisch ist bei Unterschriftensammlungen der Absender einer Petition zu betrachten. Er stellt die Informationen zur Petition bereit – meist ohne eine Gegendarstellung und häufig ohne eine Möglichkeit für die Unterzeichner, den Sachverhalt zu überprüfen. Ein Beispiel dafür ist eine aktuelle Petition auf openPetition.de mit dem Titel „Kinderraub in Bayern“ . Dort heißt es: „Uns wurden die Kinder von 8 & 7 Wochen alt durch das KREISJUGENDAMT LANDSHUT genommen.

- mein Stiefsohn wurde uns aus dem Grund genommen, weil das KREISJUGENDAMT behauptet meine Frau sei nicht in der Lage Gefahren zu erkennen bzw. abzuwenden von Kindern
- mir wird vom KREISJUGENDAMT vorgeworfen, ich sei Kindern gegenüber gewaltätig, was aber nicht einmal der Warheit entspricht“
Von den aktuell 23 Unterstützern der Petition dürfte kaum einer den Sachverhalt kennen oder sich beim Kreisjugendamt darüber informiert haben. Ist so eine Stimmabgabe dann noch selbstbestimmt, also demokratisch? Dennoch kann hier abgestimmt werden – das Kreisjugendamt ist allerdings auch bei 10.000 Stimmen nicht verpflichtet, auf die Petition zu reagieren. Ob das Amt aber großem öffentlichem Druck standhalten würde, ist fraglich.

Absender von Petition und Unterzeichner kann theoretisch jeder sein: „ Im Internet weiß niemand genau, wer und wie viele diese vermeintlich vielen wirklich sind. Hinter scheinbar parteilosen Usern können sich versierte Lobbyisten, in autoritären Staaten auch staatliche Apparate verbergen.“ (Borchardt, Alexandra (2012): Wir sind die Klicks: Das Internet ist gut für die Demokratie. Sagt man. Aber das könnte ein Irrtum sein. In: Anda, Béla; Endrös, Stefan; Kalka, Jochen; Lobo, Sascha: SignsBook – Zeichen setzen in der Kommunikation. Wiesbaden: Gabler Verlag | Springer Fachmedien. Seite 76)


Auch die Macht der Betreiber der Plattformen sollte jedem Nutzer klar sein. Während bei Campact die Aktionen – wie auch die Informationen zu den Aktionen – nur vom Campact-Team eingestellt werden, bieten die anderen Plattformen jedem mit einem Internetanschluss die Möglichkeit, Stimmen zu sammeln. Ob die Petition aber mehr Aufmerksamkeit erhält, ob die abgegebenen Stimmen gültig sind oder ob die Petition überhaupt den Nutzungsbedingungen der Plattform entspricht oder vielleicht von den Betreibern als trivial und unwichtig angesehen wird, ist eine Entscheidung der Betreiber. Sie haben das Recht, Petitionen zu löschen. Bis jetzt gab es keine größeren Berichte über willentlich gelöschte Petitionen, die Möglichkeit des Missbrauchs beziehungsweise der Einflussnahme ist hier aber nicht zu unterschätzen.
Von den aufgeführten Plattformen bietet nach den ePetitionen des deutschen Bundestags die Plattform openPetition.de mit einem gültigen Impressum, der Debatte-Möglichkeit und dem Trollturm die größte Transparenz der Anbieter.
Wozu die Kampagnen- und Petitionsplattformen aber offensichtlich führen, ist mehr Aufmerksamkeit.


So, viel Text, viel Input. Meinungen dazu gerne hier im Thread. Wer sich näher für die Anbieter interessiert der darf gerne auch einen Blick ins PDF werfen.
Nochmal, ich bin nicht gegen E-Petitionen. Man sollte sich als Unterzeichner aber im Klaren darüber sein, was man damit bewirken kann und was der Petitionsstarter erreichen will.


Angehängte Dateien
.pdf   E-Petitionen Zaiendo Version.pdf (Größe: 146,72 KB / Downloads: 569)
[Bild: zaiendosig.php]
Antworten
#2
Ziemlich viel Text, aber das Thema gut erörtert Wink

Von Onlinewahlen halte ich persönlich auch nichts. Das wäre bis jetzt viel zu unsicher, wenn es schon bei den bisherigen Wahlen das Thema "Wahlbetrug" gibt. Petitionen dagegen finde ich gut: Man ist schnell informiert, kann schnell handeln und es schnell verbreiten.

Ich unterschreibe nicht jede Petition. Vor allem diese allgemein gefassten Petitionen haben für mich nur den Eindruck, dass sie nur unterzeichnet werden sollen, damit sich der Einzelne so fühlt, als ob er etwas bewirkt hätte, aber in Wirklichkeit sich überhaupt nichts ändern wird - so ähnlich wie auf Facebook die Masche mit: "Klicke bei dem Bild hier auf 'gefällt mir', damit dem Kind geholfen wird. Facebook spendet pro Klick einen Euro/Dollar." Ich lese mir auch vorher die Petition genau durch, denn bei manchen ist mir während des Lesens auch schon aufgefallen, dass sich die Ersteller "verraten" haben. Das soll heißen, dass sie im Endeffekt sogar selbst zugeben, dass sie sich nicht rechtskonform verhalten haben oder ähnliches und jetzt einfach nur gegen die (rechtmäßige) Maßnahme wettern und glauben, man könne gegen Gesetze verstoßen, indem man Druck aufbaut. Das bedeutet natürlich nicht, dass alle Gesetze "gut" sind, aber bei den Fällen, die mir bekannt sind, war das der Fall. Wenn ich allerdings merke und voll überzeugt bin (ich als Jurist Big Grin ), dass da etwas schief gelaufen sein muss, dann unterschreibe ich.
Шенн ду дас лесен каннст, бист ду кеин думмер Шесси. 
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